Software lotst Patienten in die richtige Behandlung

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  • Letzter Beitrag 25 Juni 2018
Dr. Günter Gerhardt schrieb 25 Juni 2018

Eine Schweizer Software lotst in 11 KVen ab 2019 Notfallpatienten in die richtige Behandlung

Dr. Günter Gerhardt schrieb 25 Juni 2018

Software übernimmt Ersteinschätzung

Das in der Schweiz bewährte Prinzip, Notfallpatienten mittels einer Software in die richtige Behandlung zu lotsen, wird ab kommenden Jahr in elf KVen erprobt. So sollen die Notaufnahmen entlastet werden. Die Software, zeigen Tests, urteilt ähnlich zuverlässig wie Ärzte.

Bereits in diesem Jahr sollen erste serverbasierte SmED-Anwendungen laufen, kündigte Zi-Geschäftsführer von Stillfried an. Neben niedergelassenen Haus- wie Fachärzten beteiligten sich an dem dann regelhaft im ersten Quartal 2019 anlaufenden Projekt auch Notfallmediziner an mehreren gemeinsamen Tresen.
© änd, tt

Die Ersteinschätzung von Notfall-Patienten wird in Telefonzentralen und Notdienstpraxen von ingesamt elf Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) ab dem kommenden Jahr anhand einer Software gesteuert. Das Pilotprojekt wird ab 2019 für drei Jahre laufen und soll nach einer Evaluation möglichst zur Regel werden, es wurde am Montag von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Marburger Bund (MB) in Berlin vorgestellt.

Das System basiert auf einer Software, die in der Schweiz schon lange eingesetzt wird und die nun unter dem Namen SmED an Versorgungsstrukturen und Recht in Deutschland angepasst wurde. SmED steht für „Strukturiertes medizinisches Ersteinschätzungsverfahren für Deutschland“ und wurde von der Schweizer Firma in4medicine entwickelt, die auch das Vorläufermodell in der Eidgenossenschaft auf den Weg brachte. „Wir arbeiten an neuen und kreativen Lösungen“ für die Notfallversorgung, fasste der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister das Projekt zusammen.

Die strukturierte Steuerung von Notfallpatienten ist eines der nächsten großen Projekte in der Gesundheitspolitik. In der kommenden Woche stellt der Sachverständigenrat (SVR) für das Gesundheitswesen sein neues Gutachten zum Thema vor. Bereits im vergangenen Jahr gab es ein öffentliches SVR-Werkstattgespräch, in dem die Notwendigkeit, Notfallpatienten nach einem einheitlichem System sowohl telefonisch als auch an Klinik-Tresen in die ambulante oder stationäre Versorgung zu leiten, betont wurde. Parallel erarbeiteten KBV und MB im letztem Jahr gemeinsam ein Konzept, das dies ebenfalls forderte.

Vor diesem Hintergrund entstand unter Ägide des Zentralinstituts (Zi), der wissenschaftlichen Einrichtung der KBV, das DEMAND-Projekt, in dem mit Förderung des Innovationsfonds nun die SmED-Software getestet werden soll. Etwa 30 Standorte in den elf KVen nehmen teil: Telefonzentralen, in denen die Anrufer der 116117 landen und diverse gemeinsame Tresen von KVen und Kliniken. Ziel ist es, später auch Anrufer der 112 mit diesem System zu steuern.

Kein Arzt nötig

Zi-Geschäftsführer Dr. Dominik von Stillfried erinnerte daran, dass seit Jahren in den Notaufnahmen immer mehr Patienten aufliefen, die ambulant behandelt werden könnten oder auch am Telefon abschließend beraten. Ein strukturiertes System müsse daher in einem ersten Schritt abklären, wie dringend ein Patient Hilfe brauche, in einem zweiten, ob es dafür eine stationäre Versorgung brauche, einen niedergelassenen Arzt – oder eventuell auch Selbsthilfe ausreiche. Die in der Schweiz erprobte Software ermögliche es geschulten Fachpersonal, diese Einschätzung strukturiert und „treffsicher“ vorzunehmen. Auch KBV-Vize Hofmeister betonte, dass die Software für Fachpersonal geeignet sei. „SmED muss nicht von einem Arzt bedient werden.“

In der jetzt vorliegenden Anfangsversion von SmED wird in einem ersten Schritt abgefragt, ob bei Patienten „lebensbedrohliche Zeichen“ vorliegen, um gegebenenfalls sofort eine ärztliche Versorgung einzuleiten. Danach wird nach Leitsymptomen gefragt, die wiederum zu einem komplexeren Fragebogen führen. Am Ende steht eine Empfehlung, durch wen und wann eine Behandlung stattfinden sollte.

Dr. Andreas Meer, Geschäftsführer von in4medicine, sagte, dass in der Schweiz auf diese Weise die Hälfte der Patienten abschließend telefonisch beraten werden könnten, bei weniger als einem Prozent werde wegen Lebensgefahr ein Rettungswagen gerufen. Die meisten anderen Patienten würde an niedergelassene Haus- wie Fachärzte weitergeleitet. Eine erste SmED-Studie habe gezeigt, dass die von Fachpersonal mit Hilfe der Software erstellten Ersteinschätzungen zu 93 Prozent mit denen übereinstimmten, die auch Ärzte gaben. Nie habe es bei Abweichungen „lebensbedrohliche, gesundheitsschädigende oder ethisch nicht vertretbare Ersteinschätzungen von Fachpersonen“ gegeben, betonte Meer.

App für mobilen Einsatz

Bereits in diesem Jahr sollen erste serverbasierte SmED-Anwendungen laufen, kündigte Dominik von Stillfried an. Neben niedergelassenen Haus- wie Fachärzten beteiligten sich an dem dann regelhaft im ersten Quartal 2019 anlaufenden Projekt auch Notfallmediziner an mehreren gemeinsamen Tresen. „Wir sind aber offen für Beteiligung von Teilnehmern außerhalb des DEMAND-Projekts“, sagte er.

Stephan Hofmeister kündigte für das kommende Jahr eine Kampagne an, mit der das System bekannt gemacht werden soll, SmED solle auch durch eine App für den mobilen Einsatz ergänzt werden. Der MB-Vorsitzende Rudolf Henke begrüßte, dass SmED die Chance für ein „einheitliches und transparentes“ Ersteinschätzungssystem biete, auf dessen Grundlage später sämtliche Notfälle, die über die 116117 und die 112 oder persönlich in den Zentralen aufliefen, gesteuert werden könnten. „SmED ist ein wichtiger Baustein im Rahmen eines Ersteinschätzungssystems“, meinte Henke.

25.06.2018 15:31:12, Autor: tt

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