Wenn Ärztekammern nicht handeln, werden es andere tun

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  • Letzter Beitrag 21 August 2018
Dr. Günter Gerhardt schrieb 31 Juli 2018

IG Med schreibt an Kammern

"Wenn die Ärztekammern nicht handeln, werden es andere tun"

Alle Kammern bekommen in dieser Woche Post von der IG Med.
© J. Fälchle/Fotolis.com

Die neu gegründete Organisation IG Med hat in einem Schreiben alle Landesärztekammern aufgefordert, den „Verfall der ärztlichen Vergütung“ sowie die „zunehmende Diffamierung und Geringschätzung des ärztlichen Berufsstandes“ zu stoppen.

 

IG Med-Mitglied Dr. Burkhard Dresen erläuterte die Aktion gegenüber dem änd: „Wir sind davon überzeugt, dass sich die Ärzteschaft völlig neu aufstellen muss, wenn wir etwas erreichen wollen: Wofür stehen wir, wer sind wir, was ist unsere Profession, was ist unser Wert und mit welchem anderen Berufsstand können wir uns vergleichen? Was bedeutet das Arztgeheimnis und welche Bedeutung hat die individuelle Arzt- Patienten- Beziehung? Was ist der Unterschied zwischen einem Arzt und einem Leitlinien – umsetzenden Medizinalisten?“

Wenn es auf diese Fragen keine positive Antwort gebe, fehle die Basis für ein neues ärztliches Selbstverständnis und Selbstbewusstsein. Politik und Krankenkassen hätten es dann weiterhin leicht, die Ärzteschaft zu spalten und vorzuführen. „Die Ärzteschaft reibt sich zunehmend gegen die uns aufoktroyierten Zumutungen – Budgetierungen, TI- Anbindung Termin- Servicestellen etc. – auf, statt aus eigener Stärke heraus die Positionen festzulegen“, so Dresen.

Eine derart notwendige Neuaufstellung des ärztlichen Berufsstandes sei auch bislang schon in den meisten Heilberufs- und Kammergesetzen festgelegte ureigene Aufgabe der Ärztekammern, welche dieser Verpflichtung bislang nicht nachgekommen seien. Dresen: „Da sowohl eine Vergleichbarkeit mit anderen Berufsständen wie auch eine adäquate Honorarfindung ohne diese Neuaufstellung kaum sinnvoll möglich erscheinen, ist es die logische Konsequenz, die Kammern dazu aufzufordern, endlich ihre Hausaufgaben zu machen.“

 

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Dr. Günter Gerhardt schrieb 31 Juli 2018

An den Vorstand der Landesärztekammer

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Interessensgemeinschaft Medizin „IG-Med“ hat sich das Ziel gesetzt, der Ärzteschaft wieder den Respekt zu verschaffen, der ihr als hochstehendem Berufsstand zusteht und fordert deshalb alle Akteure im Gesundheitswesen auf, daran mitzuarbeiten. Die neu gegründete IG-Med tritt an, die gesellschaftliche Einordnung des ärztlichen Berufsstandes neu zu definieren und die Rechte der Ärzte von der Politik einzufordern. Hierdurch sollen angemessene und verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die uns und auch künftigen Ärztegenerationen eine Perspektive und verlässliche Arbeitsbedingungen in der ärztlichen Versorgung – insbesondere in der selbständigen Niederlassung - geben.

Wir sind der Ansicht, dass diese Ziele laut Heilberufs- bzw. Kammergesetz die originären Aufgaben der Landesärztekammern wären. Leider sind Sie als Vertreter der Ärztekammer diesem Auftrag nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Wir von der IG-Med sehen, dass sie die dem Berufsstand zustehenden Rechte bislang nicht ausformuliert haben und sich und den durch sie vertretenen Ärzten somit die Möglichkeit vorenthalten, diese einzufordern. Wenn es allerdings um die Kontrolle der Einhaltung ärztlicher Pflichten geht, nehmen Sie, die Kammern, Ihre Aufgaben unseres Erachtens mehr als ernst. Nach Meinung der IG-Med trifft Sie so eine wesentliche Mitschuld an den sich immer weiter verschlechternden Grundbedingungen für niedergelassene Ärzte, wie auch am Verfall des ärztlichen Selbstverständnisses und Berufsstandes.

Die derzeitige Situation lässt sich wie folgt beschreiben:

Der Gesetzgeber betrachtet Ärzte als unverzichtbar für die Gesellschaft und ordnet ihre im Grundgesetz verbrieften Bürgerrechte in der Sozialgesetzgebung dem Gemeinwohl unter - mit entsprechenden Verpflichtungen und Einschränkungen.

„Unter dem Gemeinwohl stehend“ bedeutet laut Grundgesetz Artikel 14, dass hier eine „Enteignung“ stattfinden darf. Im Falle der Ärzteschaft kommt es zu zahlreichen Einschränkungen persönlicher Freiheiten und damit der bürgerlichen Rechte, aber auch zu finanziellen Einschränkungen, da Ärzte an Gebührenordnungen gebunden sind und Honorare nicht frei nach BGB verhandeln dürfen. Allerdings muss gemäß Artikel 14 Satz 3 des Grundgesetzes einer Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit zwingend eine entsprechende „Entschädigung“ gegenüberstehen.

Dies wird bis dato sowohl von der Politik vergessen und verweigert, als auch von den Ärztekammern negiert und nicht eingefordert.

In den meisten Heilberufs- bzw. Kammergesetzen fordert der Gesetzgeber die Kammern explizit auf, „für einen hochstehenden Berufsstand zu sorgen“, die „Angemessenheit der Honorare“ zu gewährleisten und diese zu „überprüfen“. Bislang erkennen wir, die IG-Med, nicht, dass die Ärztekammern diesen gesetzlichen Anordnungen nachgekommen sind.

Die Kammern sind allerdings die Institutionen, welche - auch mit eigener Gerichtsbarkeit - die Einhaltung gesetzlicher Pflichten und Einschränkungen zu kontrollieren und Fehlverhalten zu sanktionieren haben. Gemäß Heilberufs- bzw. Kammergesetz ist jeder Arzt Zwangsmitglied einer Kammer.

Die Politik wiederum missbraucht die „Unterstellung unter das Gemeinwohl“ zur Ausweitung ärztlicher Verpflichtungen mit Honorierung „nach Kassenlage“ und Festlegung der Gesamtvergütung durch das Schiedsamt. Jahrzehntelanger Zwangsverzicht auf einen Inflationsausgleich bei Abrechnung nach der ärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) schaffen standesunwürdige Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus sind vor allem Verschärfungen im SGB V mit Zwangsanbindung an eine Telematik- Infrastruktur, Zwangsausweitung der Sprechstundenzeiten und die Ausweitung der Verpflichtung zur Teilnahme am Not- und Bereitschaftsdienst hin zu einer 24/7/365 -Versorgung zu nennen.

All dies wird von den Kammern und ihren Schwesterorganisationen, den kassenärztlichen Vereinigungen, mitgetragen oder sogar forciert. Zur Durchsetzung berechtigter Honorarforderungen wird den Ärzten zudem sogar das Streikrecht als Mittel zur Umsetzung berechtigter Interessen verweigert.

Dies leistet dem seit Jahrzehnten zu beobachtenden Verfall der ärztlichen Vergütung sowohl im Bereich der gesetzlichen als auch in der privaten Versicherung Vorschub. Und auch die zunehmende Diffamierung und Geringschätzung gegenüber unseres ärztlichen Berufsstandes dürfte in diesen Versäumnissen begründet sein.

Die IG-Med fordert die Ärztekammern auf, zu folgenden Fragen klar im Interesse der Kammermitglieder politische Position zu beziehen:

- Wie weit darf die Enteignung der Ärzte und damit die Verweigerung von Bürgerrechten unter der Bürde des Gemeinwohls gehen?

- Welche Entschädigungen schuldet der Staat und die Gesellschaft den Ärzten hierfür im Gegenzug?

- Welche Honorierung halten die Ärztekammern für angemessen? Wie soll der seit Jahren unterbliebene Inflationsausgleich zeitnah erfolgen?

- Wie wollen die Ärztekammern das Renommee des hochstehenden Arztberufes wieder herstellen?

- Was ist laut Ärztekammern ein „Not- und Bereitschaftsdienst“, der die Versorgung bis zur regulären Versorgung am nächsten Tag sichert?

- Wo beginnt die willkürliche Ausweitung ärztlicher Verpflichtungen und wo wird diese zum Unrecht?

Die IG-Med fordert von den Ärztekammern:

Das Arztgeheimnis und die Schweigepflicht sind nicht verhandelbarer Bestandteil des freien Arztberufes. Das wird sowohl im Genfer Gelöbnis und im §203 des StGB unmissverständlich bestätigt. Die IG-Med erwartet von den Ärztekammern ein eindeutiges Bekenntnis zum Arztgeheimnis und ein vehementes Vorgehen gegenüber der Politik ggf. auf dem Klageweg, wenn Gesetze erlassen werden (z.B. E-Health- Gesetz), welche das Arztgeheimnis untergraben.

Die Grundlagen des ärztlichen Berufsstands sind im Licht ärztlicher Tradition neu zu definieren und unmissverständlich festzulegen, dass der Arztberuf weiterhin ein freier Beruf ist. Es muss die Vergleichbarkeit mit anderen freien Berufen wie Anwälten, Notaren etc. wieder hergestellt werden. Hieraus ergibt sich zwangsläufig auch ein entsprechendes Niveau der Honorierung ärztlicher Behandlung als besonderer Dienstleistung eines freien Berufes. Das tatsächliche Missverhältnis derzeitiger ärztlicher Honorare im Vergleich mit ebenbürtigen freien Berufen verdeutlicht das Ausmaß der momentanen Unterbezahlung. Zusätzlich muss das Ausmaß der Entschädigung bestimmt werden, welche die Gesellschaft den Ärzten für die durch die Unterstellung unter das Gemeinwohl entstandenen Einschränkungen der Bürgerrechte schuldet.

Die IG-Med sieht die Ärztekammern in der Pflicht, die oben aufgeführten Forderungen der IG-Med als ihre Aufgabe zu akzeptieren und in ihrem politischen Handeln dem Gesetzgeber als conditio sine qua non für die weitere medizinische Versorgung der Bevölkerung bis zum 31.12.2018 zu unterbreiten.

Wenn die Ärztekammern nicht handeln, werden es andere tun!

In unserer im Anhang befindlichen ersten programmatischen Schrift haben wir das Spannungsfeld zwischen Grundgesetz, Zivilrecht und Sozialgesetzgebung umrissen und stellen diese den Ärztekammern als Grundlage für ihre politische Arbeit zur Verfügung.

 

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. med. Ilka M. Enger
Für den Vorstand der
Interessengemeinschaft Medizin

27.06.2018 13:10:26, Autor: js

Dr. Günter Gerhardt schrieb 31 Juli 2018

Crusius antwortet IG Med

„Eine Ärztekammer ist auch mittelbare Staatsverwaltung“

Vor gut einem Monat hat die neu gegründete IG Med Briefe mit Forderungen an die Vorstände aller Landesärztekammern verschickt. Nun sind erste Antworten eingetroffen, zum Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern. Der Kammervorstand dort zeigt sich empört.

Crusius wirft der IG Med „Blasphemie“ vor.
© ÄKMV

Der Vorstand der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern weist die Forderungen und Vorwürfe der Interessengemeinschaft Medizin als „unbegründet“ und gar „diffamierend“ zurück. Der Brief der neu gründeten Gewerkschaft sei bei der Kammer auf „Überraschung, Unverständnis und Ablehnung“ gestoßen. „Ganz offensichtlich haben Sie und Ihre IG Med die Aufgaben einer Ärztekammer nicht verstanden“, schreiben Kammer-Präsident Prof. Andreas Crusius und sein Vize Dr. Wilfried Schimanke. Und erklären sodann, was eine Ärztekammer in ihren Augen leisten muss: Als Selbstverwaltungskörperschaft sei sie „nicht nur Interessenvertretung der Ärzteschaft, sondern auch mittelbare Staatsverwaltung“. Der Brief der IG Med könne „einige politische Kreise“ dazu veranlassen, die Selbstverwaltung in Frage zu stellen, so der Vorwurf des Ärztekammer-Vorstandes.

In ihrem am 27. Juni versendeten Schreiben fordert die kürzlich gegründete Ärztegewerkschaft die Landesärztekammern dazu auf, den „Verfall der ärztlichen Vergütung“ sowie die „zunehmende Diffamierung und Geringschätzung des ärztlichen Berufsstandes“ zu stoppen. Die Grundbedingungen für niedergelassene Ärzte würden sich immer weiter verschlechtern und es sei ein „Verfall“ des ärztlichen Selbstverständnisses und Berufsstandes zu beobachten. So ordne der Gesetzgeber die im Grundgesetz verbrieften Bürgerrechte von niedergelassenen Ärzten in der Sozialgesetzgebung dem Gemeinwohl unter, beklagt die IG Med. Dies komme einer „Enteignung“ gleich, für die es eine entsprechende „Entschädigung“ geben müsse. Zudem seien Vertragsärzte im Vergleich zu ebenbürtigen freien Berufen deutlich unterbezahlt. Den Ärztekammern wirft die Ärztegewerkschaft vor, gegen all dies zu wenig bis nichts zu unternehmen.

Die Auffassung der IG Med zum ärztlichen Selbstverständnis sowie die Sichtweise, dass Ärzte einer Enteignung ausgesetzt seien, bezeichnet der Kammervorstand aus Mecklenburg-Vorpommern als „befremdlich“. Im Brief der Organisation komme „ziemlich unverhohlen eine rein materielle Orientierung zum Ausdruck“, finden Crusius und Schimanke. Der Gipfel sei dann die Entschädigung, die die Interessengemeinschaft fordere, weil sie die Bürgerrechte der Vertragsärzte dem Gemeinwohl untergeordnet sehe. Dazu schreiben der Kammerpräsident und sein Vize: „Insbesondere die Ärzte (...) sind dem Gemeinwohl verpflichtet.“

Dem Vorwurf, die Ärztekammern würden sich nicht für eine ausreichende Honorierung der Ärzte einsetzen, entgegnet der Kammervorstand mit dem Verweis auf Beschlüsse vergangener Ärztetage – und betont dann: „Allerdings dürfte auch Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass die Entscheidungen im BMG getroffen werden.“

Im Übrigen grenze es schon fast an „Blasphemie“, so Crusius und Schimanke, eine zunehmende Geringschätzung des Berufsstandes Arzt auf die Honorarsituation zurückzuführen. Ihr Vorwurf an die IG Med: „Mit ihrem Schreiben und den darin zum Ausdruck gebrachten Forderungen liefern Sie den Medien und ärztekritischen Gruppierungen geradezu eine Steilvorlage für die Diffamierung des Berufsstandes als ,geldgierig’.“

 

31.07.2018 15:41:29, Autor: sk

Dr. Günter Gerhardt schrieb 21 August 2018

Über den Brief der IG Med können wir geteilter Meinung sein, aber ich glaube, Sie geben mir Recht wenn ich sage, dass nicht nur die KVen, sondern auch die Kammern politischer werden müssen im Sinne der Ärztinnen und Ärzte, egal wo sie arbeiten.

Ein gutes Beispiel scheint der Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Andreas Crusius zu sein. Er legt den Finger in die "Medizin und Ökonomie Wunde".

Auch der (einer von 2) Kandidat für den Chefsessel der LÄK Hessen Herr Dr. Edgar Pinkowski scheint politischer werden zu wollen als sein Vorgänger Dr.Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach Marburg: "Kammer darf nicht zum Handlanger der Politik werden". Kammerpräsidenten dürfen sich nicht in der Rolle von repräsentierenden "Königen" sehen, die sich in möglichst vielen Veranstaltungen zeigen, politisch nichtssagende Worte von sich geben, und das nur, um möglichst schnell bekannt zu werden.  

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